Dienstag, 21. Juni 2011

Inventur

Ein Staat macht Inventur. Er stellt fest, dass er bankrott ist, doch er steht nicht dazu. Lieber bittet er die anderen, beim Kaschieren zu helfen. Na klar, sagen die anderen, wir helfen dir gerne. Sie machen ebenfalls Inventur und stellen fest, sie kommen grade so über die Runden. Wenn sie aushelfen, gehen sie selbst bankrott. Doch auch sie stehen nicht dazu. Sie überlegen, wie man nun alles miteinander irgendwie kaschieren kann.
Was dabei herauskommt, können wir selbst erleben: In den Nachrichten wird beschwichtigt, schöngeredet, beruhigt. Unsere Solidarität wird angesprochen, wir sollen doch alle zusammen halten, in guten wie in schlechten Zeiten… Die in dem einen Land protestieren, weil es so lange dauert mit dem Kaschieren, die in dem anderen Land schimpfen, weil sie sich nicht sicher sind, wie wasserdicht das Kaschieren dieses Mal sein wird und ob das Loch nicht (wieder) viel größer ist, als geahnt. Weil keiner zu seiner Misere steht. Weil Jeder auf den Anderen guckt und mit dem Finger zeigt. »Die da oben« haben Schuld, wer sonst?
Und wenn »die da oben« im großen Stil kaschieren dürfen, warum soll ich dann vor mir und anderen zugeben, was nicht stimmt? Wo ich Schuld auf mich geladen habe? Wo ich fehlerhaft bin?
Wenn ich mal ganz für mich bin und in mich hinein höre, wenn ich mal ganz ehrlich zu mir selbst bin, auch wenn es wehtut, dann komme ich ziemlich schnell drauf: Weil es mir nicht gut geht, wenn ich kaschiere. Weil ich nicht länger damit leben möchte. Weil es mich belastet und mir und anderen das Leben schwer macht. Weil ER mir die Last schon längst abgenommen hat und mich kennt und trotzdem liebt. Deshalb. Ich kann es nicht immer verstehen, obwohl ich es schon so oft gehört und gelesen habe, doch es stimmt. Er kennt mich und liebt mich trotzdem. Deshalb lohnt sich Inventur. Deshalb lohnt es sich, dazu zu stehen. Deshalb lohnt sich Veränderung. Seinetwegen. Meinetwegen.

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